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3.02.97
Stadtnet-Flirt: Tini trifft Thaum
Angesteckt von Flos Computersucht begannen auch Jule und ich an einigen Webseiten über unsere WG zu feilen. Eine virtuelle Klotür musste her auf der unsere Gäste uns Sprüche und Nachrichten hinterlassen können. Immer öfter saß ich bis morgens vor dem Rechner und bastelte an Texten. Zwischendurch loggte ich mich immer mal wieder ins Stadtnet ein, wo ich eines Tages auf Thaum traf. Die Begegnung kam mir gerade recht, da ich eigentlich lernen oder aufräumen sollte.
Wir unterhielten uns einige Nächte über Gott und die Welt über das Telnet-Fensterchen bis wir beschlossen auf Telefon umzusteigen. Seine Stimme klang so wunderbar und was er sagte war so wahnsinnig einfühlsam und klug. Ich hatte einen neuen Freund gefunden. Ein Treffen stand bevor.
Mitten im Klausurenstress, beschloß ich es bei Telefonaten mit Thaum erst mal zu belassen. Diese Entscheidung fiel schwer, aber ich wollte mich nicht durch Gefühlsduseleien vom eigentlichen Etappen-Ziel meines jungen Lebens, dem Bestehen der Klausuren, ablenken lassen. Ich hielt durch und bestand.
Als die Prüfungszeit rum war, wollte Thaum nun doch auf das gemeinsame Offline-Treffen bestehen. Ich hatte einige Bedenken. Wir verstanden uns so gut, dass ich wirklich befürchtete dass diese Freundschaft komplett vorbei sein könne, wenn wir uns gegenüber sitzen würden und die Erwartungen, die nun viel zu lange in uns beiden ihren Platz gefunden hatten, nicht erfüllt wurden.
Nach etlichen Ausreden musste ich dann doch Nachgeben. Am 2.2.97 war es dann soweit. Wir verabredeten uns im Cafe Reitschule. Nebenan fand eine Privatparty in der Mandl Lounge statt zu der ich im Ernstfall flüchten könnte um bei ein paar Cocktails meine Laune wieder aufzumöbeln, sollte das Date in die Hose gehen.
Ich hatte mich kurze Zeit davor schon mal mit jemanden dort getroffen, der mich so genervt hatte, das ich ein zwiegespaltenes Gefühl in mir trug als ich vor der Reitschule nach einem Parkplatz suchte.
Der erste Moment des Treffens ging dann relativ schnell von statten. Ich war noch viel zu verspult und aufgewühlt als das ich mich auf meinen ersten Eindruck und meine Gefühle hätte konzentrieren können. Er entsprach nun optisch gar nicht meinen Erwartungen. Sie wurden nicht negativ erfühlt sondern meine Menschenkenntnis, die ich durch den Klang seiner Stimme, eingesetzt hatte, hatte sich komplett geirrt. Der Abend war trotz allem ganz nett.
Thaum war klein, zierlich mit grossen Augen und einem ganz weichem Ausdruck im Gesicht, dazu sehr blass. Gesamteindruck: Porzellanpuppe – sehr verletzlich.
Wir gingen dann doch noch zusammen auf die Party. Susi kam auch mit. Ich brauchte ihre Unterstützung. Dank Susi konnten wir auch gleich ein gemeinsames Offline-Thema finden, nämlich Roland. Roland war Alex`s Freund und war vor einigen Monaten für kurze Zeit mit Susi leiert. Ja, Zufälle gibt es.
Alex, mein Internet-Dreamboy, erzählte von seinem bevorstehenden Trip nach Wien, wo er ein Mädchen besuchen wolle, das er im Chat kennengelernt hatte. Ihre Eltern wären weg und so würde er mit ihr die sturmfreie Bude ausnutzen.
Soso, war also nix mit meinen Träumen von Zweisamkeit und Romantik. War ich gleich eine von vielen. Der Schuft. Aber irgendwie hatte ich damit gar keine ernsthaften Probleme. Sollte er doch nur tun, was er wollte. Toll fand ich ihn ohnehin nicht.
Nicht alle Internet-Romanzen werden eben Realität.
Posted by tini at 3.02.97 9:02